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Matteo Zuppi

Kardinal, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz
 biografie

Eminenzen, Exzellenzen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

ja, liebe Freunde, denn wenn man Brücken des Friedens baut und die Freude hat, auf ihnen zu gehen, entdeckt man, dass der andere ein Freund ist. Nur Brücken ermöglichen es, einander zu treffen und das auszudrücken, was das Leben erblühen und in vielen Farben leuchten lässt: die Freundschaft! Wir müssen nicht weit gehen, um Brücken zu bauen. Jede Brücke geht von uns aus. Wenn wir dem anderen die Hand reichen, akzeptieren wir das Risiko dieser Geste, aber auch, wenn wir die dargebotene Hand des Bruders ergreifen. Wir haben entdeckt, dass der Mensch nicht dazu verdammt ist, eine Insel zu sein, und dass wir alle das Bedürfnis haben, nicht allein zu sein. Wir haben entdeckt, dass wir gemeinsam die zuweilen schreckliche Herausforderung annehmen können, gegen die Trennung, den Krieg und die Gewalt eines Bruders gegen den anderen zu kämpfen. Jeder Krieg ist ein Bruderkrieg, und wer seinen Bruder tötet, verliert auch sich selbst. Manche glauben, Vorteile daraus ziehen zu können, wenn sie Vorurteile und Worte der Feindschaft und Verurteilung säen. Sie vergessen jedoch, dass aus den Samen Taten und bittere Früchte der Trennung für alle wachsen. Der Hass und die Gewalt beginnen immer mit kleinen Samen. Aber auch der Friede beginnt mit einem kleinen Samen.

Am Ende dieser Tage ist uns unser aller Pflicht – unabhängig von unserem Alter – bewusst, Brücken zu bauen und für ihren Erhalt zu sorgen. Wir haben in diesen Tagen viele Worte des Leids gehört, wir haben den Schrei von Abels Blut zu unserem gemacht und wir haben die Frage Gottes an den Menschen, an jeden von uns gehört: „Wo ist dein Bruder?“ Wir sind Hüter unseres Bruders und unserer Schwester. Der Friede ist nicht eine heroische Geste, nach der man sich wieder zum entfremdenden Schlaf der Gleichgültigkeit niederlegt. Der Friede ist auch nichts für Naive. Nein, naiv ist der Optimismus, der nicht sehen will. Brücken brauchen Geduld, Zeit, Fähigkeiten, System, Mut und viel Liebe. Danke der Gemeinschaft Sant’Egidio, danke für dieses Geschenk, das uns viele Realitäten der Bekanntschaft und des möglichen Friedens zeigt, danke für die Leidenschaft, mit der ihr dies fortsetzt. Legen wir zur Seite, was uns trennt: Brücken sind unverzichtbar, um in diesem schönen und einzigartigen Zimmer, der Welt, zu leben. Der Frieden ist ein Säulengang, der alle beschützt. Und danke an Bologna und seine Bewohner, die ihn lebendig und menschlich machen.

Liebe Freunde, auf dieser Baustelle des Friedens haben wir über viele Aspekte des Lebens gesprochen. Wie viele! Der Frieden hat viele, unendliche Bedeutungen. Wir brauchen alle, Junge und Alte, Gläubige und Humanisten, Männer und Frauen, alteingesessene und Neueuropäer, Afrikaner, Asiaten, Nord- und Südamerikaner! Mit Freude und Geschwisterlichkeit haben wir euch in Bologna empfangen, und wir danken euch von Herzen für diese Tage. Wir haben über meine Themen und die der anderen gesprochen, genommen und gegeben: Das ist das Geheimnis dieser Tage, in denen wir viel geteilt haben, und das ist der Weg des Friedens. Euch allen, die ihr dies mit eurem Einsatz und Beitrag ermöglicht habt, sage ich, sagen wir heute Abend Danke! Ihr habt aus dieser unserer Stadt die Hauptstadt des Friedens gemacht. Danke!

Abschließend möchte ich sagen: Der Regenbogen, der auf diese Bühne gemalt ist, das Zeichen des Bundes zwischen Gott und allen Menschen, noch vor Abraham, ist das Zeichen unserer Einheit, nicht, weil wir gleich sind, aber gerade, weil wir verschieden sind. Der Regenbogen vereint verschiedene Farben in einem einzigen Licht. Und im Grunde ist auch er eine Brücke, die die Erde mit dem Himmel verbindet und zwei Punkte auf der Erde miteinander. Heute möchten wir, dass dieses Licht Hoffnung an die dunklen Orte bringt, wo die vielen Teile des Weltkriegs herrschen. Wir wollen die Mauern überwinden, indem wir höher hinauf steigen, mit der Leidenschaft, die aus dem Glauben und aus der Intelligenz der Liebe kommt, die den Feind in einen Freund verwandelt und den nahe bringt, der weit entfernt ist. Vielleicht erschien uns das zu schwierig und riskant. Ich bin sicher, dass wir weiterhin viel Zuhören, Verständnis und Freundschaft säen werden in dem Bewusstsein, dass wir Teil einer einzigen Menschheitsfamilie sind und dass diese Samen Frucht bringen werden. Wir haben weniger Angst, weil wir gesehen haben, dass es möglich ist, wie viel leichter alles mit Brücken ist, wie viel schöner das Leben ist! Wir lassen uns nicht verwirren von denen, die sagen, dass es sich nicht lohnt, oder dass es Probleme geben wird. Das wissen wir! Aber den Problemen muss man angehen, und wir haben keine Angst, uns dafür hinzugeben, um sie wirklich zu lösen und nicht anderen zu überlassen. Ich als Christ folge Jesus, der uns gelehrt hat, die Feinde zu lieben und das Leben hinzugeben, um nicht die Menschen zu bekämpfen, sondern den Feind der Menschen, das Böse! Der Friede gehört allen! Er lässt sich nicht teilen! Ohne Frieden gibt es kein Leben und keine Zukunft. Wie uns Papst Franziskus hier in Bologna sagte: „Beginnen wir, große Träume zu träumen!“ Aber wir wollen es mit offenen Augen am Tag tun, um die Nacht des Krieges und der Barbarei zu überwinden. Gott segne uns! Der Gruß in vielen Sprachen, wenn man sich trifft oder verabschiedet, ist immer derselbe: Friede sei mit dir! Das ist das Geschenk dieser Tage! Lassen wir es uns nicht rauben! Friede sei mit uns!