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Gerhard Ulrich

Lutherischer Bischof, Leitender Bischof der VELKD, Deutschland
 biografie
Landesbischof Gerhard Ulrich
Predigt beim Internationalen Friedensftreffen
 
Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.
So steht nun fest, aumgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und bangetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens.
Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des aGlaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den aHelm des Heils und das bSchwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
Betet allezeit mit Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit im Gebet für alle Heiligen und afür mich, dass mir das Wort gegeben werde, wenn ich meinen Mund auftue, bfreimütig das Geheimnis des Evangeliums zu verkündigen, dessen aBote ich bin in Ketten, dass ich mit bFreimut davon rede, wie ich es muss.
Epheser 6. 13-20
 
Liebe Schwestern und Brüder,
 
das sind Worte, die erschrecken! Nicht die Sprache der Liebe; nicht die Friedensbotschaft an die Feinde, die in der Bergpredigt begegnet. Nicht, was wir hier in diesen Tagen in Rom erleben miteinander: ohne Angst, frei, allein mit dem Wort einander begegnen. In jedem und jeder das Ebenbild Gottes selbst entdecken! 
Statt dessen ein Ruf zu den Waffen: „mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt…mit dem Schild des Glaubens gegen feurige Pfeile des Bösen…“; behelmt und mit dem Schwert des Geistes: so sollen die Christenmenschen fest stehen, „alles überwinden und das Feld behalten!“
Wie Durchhalteparolen für müde Krieger klingt dies.
„Es soll nicht durch Heer und Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr“, sagt der Prophet Sacharja. 
Mein erster Reflex: ich will diese Sprache nicht. Sie stiftet nicht Frieden, sondern Hass. Sie führt nicht zusammen, sondern auseinander.
Wir wissen: die Religionen, auch der christliche Glaube, haben ein Gewaltpotential. Die Geschichte zeigt das: Kriege im Namen Gottes, „heilige“ Kriege, „gerechte“ Kriege werden ausgerufen und geführt. 
Wer sich aber dabei auf Gott beruft, der lästert den Herrn und missbraucht den Namen dessen, der gebietet: du sollst nicht töten!
Es gibt keinen gerechten Krieg. Es gibt nur gerechten Frieden.
Religionen aber haben nicht nur Gewaltpotential, sie haben auch die Kraft, zu überwinden, den Frieden zu gestalten. Wir erleben das hier exemplarisch. Und wer dies erlebt, wer sich wirklich öffnet für den Dialog, den anderen wirklich in die Augen, also ins Herz sieht und versteht – der wird verändert von hier fortgehen.
 
Paulus will, dass die Seinen nicht wehrlos sind gegen die Anfechtungen, gegen die Zweifel, gegen die Mächte der Welt. „Steht fest“, sagt er. Steht fest im Glauben. 
Eine andere Rüstung.
 
Glauben heißt: Mit Gott rechnen in dieser Welt. Sich zu ihm wenden mit dem ganzen Leben. Leben mit Gott heißt, die Sinne zu schärfen und frei zu sein für das Gute, das Gott auf mich zukommen lässt in seinem Wort an mich. 
Mit dem Hören fängt alles an, liebe Schwestern und Brüder. Das Ohr ist das erste Sinnesorgan, das im Mutterleibe ausgebildet wird. Das Ungeborene macht sich vertraut mit der Stimme von Mutter und Vater. Da schon weiß der Mensch: ich werde nicht allein sein. Weil da einer redet, werde ich wachsen und vertrauen können. Und es kommt schon im Mutterleib darauf an, was das Kind zu hören bekommt: ob das Worte der Zärtlichkeit sind oder des Streits. Was wir zuerst zu hören bekommen, bestimmt unser Leben! 
Weil Gott redet, lernen wir selber reden, „...umgürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und …gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium.“
Das ist unser Amt, unsere Mission: weitergeben, was wir empfangen haben. Den Mund auftun für die Schwachen und Elenden. Widersprechen den Mächtigen und Gewaltigen. Nicht hinnehmen die Zerstörung und Zertrennung. Dem Hass, der Verfolgung und der Gewalt nicht das letzte Wort überlassen. Wir sind nicht schwach. Wir sind gerüstet, den Mund freimütig aufzutun. 
Gottes Wort, das Fleisch wird in Christus ist es, das uns ermächtigt, aufzustehen gegen Hass und Gewalt, zu widersprechen dem Bösen. Und das Wort ist es, das uns gegeben ist – über alle Unterschiede und Differenzen hinweg, das uns gemeinsam ist – Schwert des Geistes. Umfangen sind wir von seinem Wort, seiner Liebe, die er zeigt in dem, der ans Kreuz gegangen ist und der den Tod überwindet. Damit wir Leben haben.
Daraus können wir leben, streiten, einander begegnen, Beispiel geben dieser Welt. „Sine vi humana sed verbo“ – nicht mit menschlicher Gewalt, sondern mit dem Wort streiten wir – so sagt es unser Bekenntnis. Nicht mit Gewalt – wohl aber mit power of love and peace and brotherhood. Man kann mit Gottes Wort nicht die Welt regieren, hat mal ein Mächtiger gesagt. Aber Gottes Wort kann Herzen regieren. Und so regierte Herzen regieren diese Welt anders: „es soll nicht geschehen durch Heer und Kraft, sondern durch meinen Geist“, spricht Gott durch den Propheten.
Das Wort ist uns gegeben, damit wir Frieden schaffen. Frieden schaffen und halten auch untereinander.
Mit Respekt für die unterschiedlichen Kulturen und Geschichten; für die Verfolgten und Bedrängten. Respekt für die Fremden. 
Wer Gottes Wort hört, wer wirklich hinhört auf das befreiende, aufständische Wort, mit dem Jesus die Geknickten aufrichtet, die Niedrigen erhöht, die Schuldigen ermutigt – wer all dies wirklich hört, der wird sich bewegen lassen. Der wird hingehen, aufsuchen die, die verzweifelt sind und in Not, wird Türen aufmachen für die, die Zuflucht suchen. Gleichgültig, wer sie sind, woher sie kommen, wie sie glauben. Der wird die Lenden und Hände stärken, die anpacken für den Frieden und für Gerechtigkeit.
Der Geist, den Gott schenkt, ist einer des weiten Herzens, nicht der Angst, der Enge.
„Es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.“
Ergreift den Schild des Glaubens: das ist die Haltung derer, die mit dem Mund bekennen, dass Jesus der Herr ist, die die Hände falten zum Gebet und die die Hände öffnen, um das Werk zu tun, das Jesus begonnen hat. Das ist die Haltung derer, die sich mit ihrem Leben ausstrecken über diese Welt hinaus hin zu Gott; die sich ausstrecken hin zu dem, der verheißt: das Alte ist vergangen, siehe, ich mache alles neu! Das ist unsere Mission: dies weiterzusagen!
Und damit sind wir gerüstet für den Weg des Friedens und im Frieden des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat! Amen.